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Recruiting in Corona Zeiten

25. Aug. 2021

Die Covid-19-Pandemie hat unsere Welt auf den Kopf gestellt, vieles wurde durcheinander gewürfelt. Veränderungen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt – insbesondere bei Recruitingprozessen - stellen sowohl Unternehmen als auch Bewerber vor Herausforderungen. itjobsaustria.at hat recherchiert und folgende Daten und Fakten zusammengefasst:

Fast 70 Prozent der Bewerber haben aktuell den Eindruck, es sei in der Pandemie schwieriger geworden, einen Job zu finden. Rund 30% bewerben sich, weil die Krise sich massiv auf die Arbeitswelt ausgewirkt hat: Kurzarbeit, Entlassungen oder entmutigende Beschäftigungsperspektiven sind einige Gründe dafür. Mehr als jeder zehnte Bewerber ist zur Zeit auf Jobsuche aufgrund einer Kündigung.

Auch Recruiter berichten, dass in den Unternehmen Einstellungsstopps, Einschränkungen sowie Herausforderungen bei der Umstellung des Recruitingprozesses das Bild bestimmen. Vielfach ist diese Umstellung gut gelungen. Das bedeutet auf der einen Seite einen großen Schritt für die Digitalisierung von HR-Prozessen, auf der anderen Seite hat die Krise Digitalisierungsdefizite im Recruiting aufgezeigt.

Nur etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen bildet aktuell den Gesamtprozess digital ab, bis zum Vertragsangebot. Fast jedes fünfte Unternehmen würde gerne auf virtuelle Verfahren umstellen, hat aber auf diese Herausforderung keine Antwort. Eine Umfrage zeigt auch, dass es bei den derzeit durchgeführten virtuellen Jobinterviews noch Optimierungspotenzial gibt, viele Bewerber empfinden diese zum Beispiel als zu unpersönlich.

Virtuelle Verfahren im Recruiting lassen sich optimieren. Zudem ergeben sich dadurch handfeste Vorteile wie zum Beispiel die Ortsunabhängigkeit und der Wegfall von Reisekosten. Die Pluspunkte bleiben, auch über Corona hinaus. Ebenso wie der viel zitierte „Fachkräftemangel”. Denn darin sind sich Bewerber und Recruiter einig: Dieser wird auch nach der Pandemie nicht der Vergangenheit angehören, auch wenn die Krise die Arbeitsmärkte stark verändert.

 

Bei insgesamt 29,1 % der Bewerber steht die aktuelle Bewerbung in Zusammenhang mit der Corona-Krise: Jobverlust, Rückgang von Aufträgen, Festanstellung statt Freelance,..

 

Einfluss der Corona-Krise auf das Leben der Bewerber

  • Am stärksten hat sich die Corona-Krise dadurch ausgewirkt, dass die große Mehrheit der Befragten die sozialen Kontakte „fast vollständig“ reduziert hat.
  • Fast die Hälfte hat Urlaubspläne verschoben.
  • Rund 46 % sind vorsichtiger bei privaten Ausgaben geworden.
  • Eine psychische Belastung geben dagegen nur rund 17 % der Befragten an.

 

Einfluss auf die Jobsuche

69,2 % der befragten Bewerber finden, es ist schwieriger in der Corona-Krise einen neuen Job zu finden. In über 500 Freitextkommentaren berichten Bewerber über die Hintergründe: Einstellungsstopp in Unternehmen aufgrund der Krise, geänderte Marktsituation. Arbeitgeber warten erst einmal ab, einige Branchen hat die Coronakrise besonders hart getroffen, daher wird nur zurückhaltend eingestellt.

Schwierigkeiten der Unternehmen bei der Umstellung der Bewerbungsverfahren. Die Recruitingverfahren geraten ins Stocken, weil Unternehmen sich schwertun, auf virtuelle Verfahren umzustellen oder in Schockstarre verfallen.

Verringerung des Angebots, gestiegene Nachfrage auf Bewerberseite. Die Coronakrise ändert die Marktverhältnisse, es gibt wieder mehr Bewerber, die um weniger Jobs konkurrieren.

Schwierigkeiten beim Onboarding – zurückhaltendes Recruiting: Firmen stellen weniger ein, weil aktuell eine Einarbeitung schwierig oder unmöglich ist.

Die Coronakrise hat sich einschneidend auf das Recruiting ausgewirkt. Nur 12,6 % der Bewerber haben keine Veränderung bemerkt. Mehr als zwei Drittel der Bewerber hat den Eindruck, dass die Unternehmen weniger Stellen ausschreiben, rund 60 % haben beobachtet, dass Unternehmen keine Bewerbungsgespräche mehr führen. Ebenfalls rund 60 % machen in der Krise die Erfahrung, dass Arbeitgeber in ihren Einstellungsprozessen auf virtuelle Verfahren setzen. Mit Online-Tests kommen aktuell dagegen nicht einmal ein Drittel der Bewerber in Kontakt.

Auch die Recruiter haben mehrheitlich den Eindruck, dass es aufgrund der Pandemie-Situation für Bewerber schwieriger geworden ist, einen Job zu finden. Auf einer 5er Skala der Zustimmung zu einer entsprechenden Aussage, liegt der Mittelwert bei 3,2. Dabei werden ähnliche Gründe dafür genannt wie auf Bewerberseite, es überwiegt jedoch stark der Hinweis auf die verschlechterte Wirtschaftslage und den damit verbundenen Einstellungsstopps.

 

Situation in den Unternehmen

Fühlen sich Unternehmen gewappnet für die aktuelle Situation? Hier überwiegt verhaltener Optimismus (Mittelwert von 3,2 auf einer 5er Skala, 5=sehr gut). Die befragten HR-Verantwortlichen verweisen dabei zum Beispiel auf die gelungene Umstellung auf Remote-Verfahren im Recruiting oder aufs Home-Office.

Im Hinblick auf die aktuelle Recruiting-Praxis in der Pandemie entsteht ein recht buntes Bild. 46,6 % der Befragten HR-Verantwortlichen berichten von einem Einstellungsstopp. 56,9 % geben an, nur noch „dringend benötigte Mitarbeiter“ zu rekrutieren. 14,1 % berichten von einer verstärkten Recruitingaktivität.

Im Hinblick auf die Verfahren sind 30,4 % auf virtuelle Prozesse umgestiegen, machen aber auf dieser Grundlage keine Vertragsangebote. 36,3 % bilden den Gesamtprozess virtuell ab, was ein Vertragsangebot einschließt. 28,4 % führen unter Beachtung der Hygienevorschriften weiterhin Präsenztermine durch. Fast jedes fünfte Unternehmen würde gerne auf virtuelle Verfahren umstellen, ist aber damit überfordert.

 

Einfluss auf Auswahlverfahren

27,3 % der befragten Bewerber haben an einem Bewerbungsgespräch per Videotelefonie teilgenommen. Grundsätzlich können sich 88,5 % der Bewerber vorstellen, an einem virtuellen Bewerbungsgespräch teilzunehmen. Bei den HR-Verantwortlichen würden sogar 96,1 % Jobinterviews virtuell führen. Bevorzugte Tools dafür sind bei den Bewerbern vor allem Skype (70,7 %), WhatsApp (47,1 %) und Zoom (33,5 %), Recruiter bevorzugen mehrheitlich ebenfalls Skype (66,7 %) aber auch Microsoft Teams (58,6 %). Zoom findet mehr als ein Drittel attraktiv (36,4 %). WhatsApp stößt dagegen bei nur 11,1 % der Personaler auf Sympathien.

Kann ein virtuelles Interview ein Präsenzgespräch als Entscheidungsgrundlage ersetzen? Hier antworten 68,6 % der Recruiter mit „Ja“. Allerdings machen das nur etwas mehr als ein Drittel der Befragten. Dabei haben nur 12,1 % der befragten Recruiter keinerlei Erfahrungen zu Auswahlgesprächen jenseits des klassischen Präsenzinterviews. 55,6 % geben sogar an, über Erfahrungen in Telefon- und Videointerviews zu verfügen. 77,6 % können sich vorstellen, künftig stärker auf Online-Assessments oder andere kontaktlose eignungsdiagnostische Verfahren zu setzen.

Die beim Jobinterview per Videokonferenz von Bewerbern gemachten Erfahrungen sind durchaus zwiespältig. Ein Teil der Bewerber sieht Videointerviews als adäquaten Ersatz für Präsenztermine und lobt deren Vorteile.

 

Erfahrungslücke im Online-Onboarding

66,8 % der befragten Bewerber kann sich grundsätzlich vorstellen, dass auch das Onboarding, also die Eingliederung als neuer Mitarbeiter in den Betrieb, beim neuen Arbeitgeber virtuell durchgeführt wird – zum Beispiel mit Hilfe von Online-Konferenzen oder -seminaren. Bei den Recruitern sind es sogar 71,1 %.

Allerdings klafft beim Online-Onboarding auf Personalerseite eine große Erfahrungslücke: 69,4 % haben keine Erfahrung damit. Bei den 30,6 %, die schon Online-Onboardingmaßnahmen durchgeführt haben, kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz.

 

Auswirkungen auf Arbeitsmärkte

Wie verändert die Corona-Krise die Arbeitsmärkte? Hier sind im Blick der Bewerber verschiedene Tendenzen zu erkennen. Drei Viertel der Bewerber glaubt, dass es wieder mehr Bewerber geben wird, die um weniger Stellen konkurrieren. Der „Fachkräftemangel“ ist dadurch für die meisten Branchen aber keineswegs Schnee von gestern. Vielmehr ist eine Mehrheit der Bewerber davon überzeugt, dass er in einigen Branchen „genauso stark“ oder „stärker“ sein wird wie vor der Krise.

 

Auswirkungen auf Jobsuche und Bewerbungsverfahren

Vor dem Corona-Hintergrund wird es eine Bewegung weg vom Bewerber- und hin zu einem Anbietermarkt geben, in denen die Unternehmen wieder stärker die Regeln bestimmen. Bewerber müssen sich wieder stärker anstrengen, um einen Job zu bekommen. 46,5 % der Bewerber glaubt, dass es für Arbeitgeber einfacher wird, ihre Stellen zu besetzen.

Die Recruiter sind mehrheitlich im Unterschied zu den Bewerbern davon überzeugt, dass es keine grundlegende Veränderung auf den Arbeitsmärkten geben wird und die Bewerberorientierung der Märkte bleibt. Nur 36,5 % von ihnen stimmen der These zu, dass Bewerber sich wieder stärker an- strengen müssen, um einen Job zu bekommen. Die Recruiter sind mehrheitlich (84,0 %) davon über- zeugt, dass die Wirtschaftskrise zu einer Abnahme der Fluktuation führen wird, weil Angestellte mehr auf Sicherheit setzen, und sich deshalb weniger Bewerber auf dem Markt befinden werden. Zudem ist eine große Mehrheit der Bewerber (76,2 %) und Recruiter (89,2 %) davon überzeugt, dass sich die Bewerbungsverfahren langfristig stärker digitalisieren werden.

 

Was sollten Arbeitgeber im Hinblick auf ihre Personalgewinnung in Zeiten von Corona tun? Über 300 Bewerber haben von der Möglichkeit eines Freitextkommentars Gebrauch gemacht. Hier kristallisieren sich verschiedene Themen heraus:

Zum einen fordern einige Bewerber die Arbeitgeber dazu auf, in ihren Einstellungsplanungen nicht kurz, sondern langfristig zu denken. Der Bewerbungsprozess braucht gerade in Corona-Zeiten mehr Transparenz, da sich die Verfahren und das Einstellungsverhalten zum Teil deutlich verändern. Im Hinblick auf virtuelle Verfahren im Bewerbungsprozess sind sich die Bewerber uneins. Einige fordern dazu auf, die „aktuellen digitalen Möglichkeiten“ effizienter zu nutzen, andere fordern eine Rückkehr zu Präsenzverfahren. Für Arbeitgeber, so einige Bewerber, biete die aktuelle Situation auch Chancen, da plötzlich ein Zugang zu Talenten möglich ist, der in normalen Zeiten nicht denkbar wäre.

 

Quellen:

https://go.softgarden.de